Der Jünkerather Roheisenpfannenwagen

Was ist eigentlich ein Roheisenpfannenwagen?


Diese Frage stellt sich den meisten Menschen, wenn sie den Begriff zum ersten Mal hören oder sich zum ersten Mal mit dem Wagen beschäftigen.


Ein Roheisenpfannenwagen ist ein spezieller Eisenbahnwagen, der in der Eisen- und Stahlindustrie eingesetzt wird, um flüssiges Roheisen direkt aus dem Hochofen zu den Stahlwerken oder Gießereien zu transportieren. 


Funktion: Die Wagen dienen dazu, das etwa 1.450 °C heiße flüssige Roheisen sicher über größere Strecken zu befördern, ohne dass es erst zu Barren gegossen werden muss. Das spart Zeit und Energie, weil das Eisen direkt weiterverarbeitet werden kann.


Aufbau:

  • Herzstück ist die große, drehbar gelagerte Pfanne (meist torpedo- oder birnenförmig), die im Wagenrahmen hängt.
  • Die Pfanne ist feuerfest ausgekleidet, um die enorme Hitze verkraften zu können.
  • Durch Drehen der Pfanne kann das Roheisen beim Entladen in Konverter, Gießpfannen oder Mischanlagen gegossen werden.
  • Es gibt kleinere Ausführungen (wie unseren Pfannenwagen) und größere, torpedoförmige Wagen, die wie eine überdimensionale Thermosflasche wirken.


Kapazität:

  • Unser Roheisenpfannenwagen konnte 80 Tonnen Roheisen aufnehmen.
  • Moderne Torpedopfannenwagen fassen zwischen 150 und über 300 Tonnen flüssiges Roheisen.
  • Ein Zug mit mehreren Wagen transportiert so mehrere Tausend Tonnen Eisen.


Einsatz:

  • Die Wagen laufen auf normaler Spurweite und werden innerhalb großer Hüttenwerke oder auf Anschlussbahnen bewegt.
  • Aufgrund des hohen Gewichts sind sie oft mit sechs bis zwölf Achsen ausgestattet.
  • Sie fahren in der Regel nur kurze Strecken (zwischen Hochofen und Stahlwerk), manchmal wenige Kilometer.


Sicherheit:

  • Wegen der Gefahr durch die enorme Hitze gelten strenge Vorschriften.
  • Die Wagen werden regelmäßig gewartet, und die feuerfeste Ausmauerung muss nach einer bestimmten Zahl von Transporten erneuert werden.


Was hat der Wagen mit Jünkerath zu tun?


An den Seiten des Roheisenpfannenwagens prangt mehrfach der Schriftzug "Jünkerath". Der Grund dafür ist ganz einfach: Der Roheisenpfannenwagen wurde 1966 in der Jünkerather Maschinenfabrik hergestellt. Er ist ein Zeugnis der mehr als 300 Jahre währenden Geschichte der Eisenverarbeitung in Jünkerath und steht in Verbindung mit dem historischen Bahnhofsgebäude für die beiden Jünkerather Wurzeln: Eisenverarbeitung und Eisenbahn.


Jünkerath ist erst durch Eisenindustrie und Eisenbahn entstanden und groß geworden. Zeitweise standen in Summe knapp 2.000 Menschen bei den beiden Unternehmungen in Lohn und Brot. Durch Automatisierung, Rationalisierung und den dadurch verursachten Rückzug der Bahn aus der Fläche gibt es in Jünkerath seit 2006 keinen Arbeitsplatz mehr bei der Eisenbahn und seit Anfang 2023 existiert auch die Eisenindustrie nicht mehr. An die Eisenbahntradition versuchen wir als Eisenbahnfreunde Jünkerath mit unserem Museum und zahlreichen anderen Aktivitäten zu erinnern. Doch auch die Geschichte der Eisenindustrie in Jünkerath muss in Erinnerung gehalten werden. Ein kurzer Blick zurück:


Im Jahr 1687 ließ Graf Salentin Ernst von Manderscheid-Blankenheim eine Eisenhütte in Jünkerath errichten. Die Leitung übertrug er dem Hüttenmeister Johan de L’Eau aus Ahrhütte, der dort den ersten Hochofen in Betrieb nahm. Als Brennstoff diente Holzkohle aus der Eifel, verarbeitet wurden Eisenerze aus der Region. So entstand Roheisen, das anschließend verkauft wurde.


Mit dem Einmarsch französischer Revolutionstruppen im Jahr 1794 und der damit verbundenen Verstaatlichung verloren die Grafen ihren Besitzanspruch an der Hütte. In der Folgezeit prägten vor allem die Eifeler Industriellenfamilien Peuchen und Poensgen die Entwicklung des Werkes maßgeblich. Einer von ihnen, Ferdinand Poensgen, wandelte die Hütte 1868 in eine Kapitalgesellschaft um und führte den Namen „Jünkerather Gewerkschaft“ ein.


Als sich die Herstellung von Roheisen wirtschaftlich nicht mehr lohnte, wurde 1898 der letzte Hochofen stillgelegt. Der Betrieb hatte sich bereits auf Maschinenbau und Eisenguss spezialisiert – insbesondere auf großformatige Gussteile. Ein Markenzeichen waren die Transportwagen für Roheisen und Schlacke, die in vielen Hütten Europas und darüber hinaus Verwendung fanden. Sogar in Indien findet man solche Wagen mit dem markanten Schriftzug "JÜNKERATH" an den Seiten.


1936 wurde der Firmenname erweitert: „Jünkerather Gewerkschaft Maschinenfabrik und Eisengießerei“. Zwei Jahre später erfolgte die Übernahme durch die Demag. Der Name blieb zunächst bestehen, bis das Werk 1960 vollständig im Demag-Konzern aufging. Nach weiteren Eigentümerwechseln firmierte die Gießerei unter den Namen Ergocast und Vulcast. Das Unternehmen geriet immer mehr in Schieflage und musste - nach mehreren Insolvenzen - am 31. Januar 2023 endgültig die Tore schließen.


Damit endete nach über 330 Jahren die Geschichte der Eisenbahnverarbeitung in Jünkerath.

Welche spezielle Geschichte hat dieser Roheisenpfannenwagen?


In Jünkerath wurden im Laufe der Jahrzehnte rund 700 Roheisenpfannenwagen hergestellt und in 43 Länder der Erde exportiert. Sogar in indischen Stahlwerken finden Sie solche imposanten Wagen mit dem Schriftzug "Jünkerath". Die Maschinenfabrik hatte einen eigenen Gleisanschluss, über den die Züge mit den Wagen zu den Stahlwerken bzw. zu den Seehäfen gebracht wurden.

Unser Wagen mit der Werknummer 38510031/7 wurde 1966 gebaut und in ein Stahlwerk nach Bremen geliefert, wo erviele Jahre im Einsatz war. Im Sommer 2002 entdeckte Peter Theisgen, Mitglied der Eisenbahnfreunde Jünkerath, auf einer Geschäftsreise ins Stahlwerk Bremen einige der gewaltigen Eisenbahnwagen mit einer vertrauten Aufschrift: JÜNKERATH. Für den gebürtigen Jünkerather stand sofort fest: das waren originale Roheisenpfannenwagen, wie sie einst in seiner Heimat hergestellt worden waren. Im Gespräch mit der Geschäftsführung des Werks stellte sich heraus, dass die Wagen ausgemustert waren. Man erklärte sich bereit, ein Exemplar als Ausstellungsobjekt für Jünkerath zu tragbaren Konditionen zur Verfügung stellen. Allerdings müsse der Transport nach Jünkerath in Eigenregie und auf eigene Kosten durchgeführt werden.


Ein Glücksfall – doch auch eine Herausforderung. Ein solches Fahrzeug wiegt 55 Tonnen und kann bis zu 80 Tonnen flüssiges Roheisen transportieren. Der Transport per Bahn war ausgeschlossen, da der Wagen keine DB-Zulassung hatte. Nur ein Schwertransport auf der Straße kam infrage. Trotz dieser Hürden nahm der Vereinsvorstand der Eisenbahnfreunde Jünkerath Kontakt zur damaligen Firma Demag Ergotech in Jünkerath auf – dem Nachfolger der ursprünglichen Herstellerfirma. Mit Paul Sonnen, der in den 1960er Jahren selbst an der Konstruktion dieser Wagen beteiligt war, fand sich zudem ein Unterstützer mit viel Fachwissen und wertvollen Kontakten.

Am 28. Juli 2002 wurde in Bremen der passende Wagen ausgewählt: Fahrgestell Nr. 7 mit Pfanne Nr. 87. Die Begeisterung wuchs – ebenso wie die Unterstützung. Nach mehreren Gesprächen sicherte die SMS Demag (Nachfolgeunternehmen der Jünkerather Maschinenfabrik) schließlich die Übernahme Kosten, sowie der Transport- und Kranlogistik zu. Am 30. Oktober 2002 war es dann soweit: Zwei Schwertransporter brachten Wagen und Pfanne über Nacht von Bremen zurück nach Jünkerath. Noch in der Morgendämmerung wurde er mithilfe eines 300-Tonnen-Krans am Eisenmuseum aufgestellt – unter dem staunenden Blick zahlreicher Zuschauer, darunter ehemalige Demag-Mitarbeiter, Eisenbahner und Schulklassen. Sogar ein Fernsehteam des SWR war vor Ort und ließ sich die Gelegenheit, ein solches Ereignis zu dokumentieren, nicht entgehen.


Den Standort hatte die Kreisverwaltung Daun zur Verfügung gestellt, das notwendige Gleis kam vom benachbarten Gelände des ehemaligen Bahnbetriebswerks Jünkerath (im Besitz von Reifen Meyer), und viele halfen tatkräftig mit: Ein Tiefbauunternehmen, ein Landwirt mit Schotter, engagierte Vereinsmitglieder. So wurde das Projekt ein Gemeinschaftswerk.


Zum Abschluss überreichte Jürgen Hecken, damals Leiter des Demag-Konstruktionsbüros, die Originalzeichnungen des Wagens feierlich an die Eisenbahnfreunde Jünkerath e.V. Seitdem stand der imposante Roheisenpfannenwagen direkt vor dem Gebäude des leider nicht mehr existierenden Eisenmuseums und wurde  zu einem echten Blickfang.

Im Jahre 2012 verkaufte der Landkreis Vulkaneifel das Eisenmuseum und das Grundstück, auf dem der Roheisenpfannenwagen stand, an einen Privatmann, der als vertragliche Auflage das Eisenmuseum zehn Jahre lang weiter betreiben musste. Wenige Monate vor Ablauf dieser Frist traf das Jahrhunderthochwasser vom 14./15. Juni 2021 auch Jünkerath und den Standort des Roheisenpfannenwagens, wobei das Gleis unterspült wurde.


Nun stand der Wagen also auf unsicherem Untergrund und zudem auf Privatgelände. Es musste ein neuer Standort her. Gemeinsam machten sich die Eisenbahnfreunde Jünkerath und die Ortsgemeinde auf die Suche und wurden schließlich an der Park & Ride-Anlage gegenüber vom Bahnhof fündig.


Am 24. und 25. Juni 2025 fand der wohl letzte Umzug des Roheisenpfannenwagens statt. Mit zwei Tiefladern wurden Wagen und Pfanne zum neuen Standort transportiert. Finanziert wurde die Aktion über Spenden, die von der Kreissparkasse Vulkaneifel, der Verbandsgemeinde Gerolstein und der Bürgerstiftung des Landkreises Vulkaneifel zur Verfügung gestellt bzw. organisiert wurden. Das Gleis wurde von der Deutschen Bahn AG gelegt.


Weitere interessante Informationen finden Sie auf folgenden Seiten:



Darüber hinaus empfehlen wir einen Besuch im Eisenbahnmuseum Jünkerath. Dort werden nicht nur zahlreiche Exponate aus der Eisenbahngeschichte Jünkeraths präsentiert, sondern auch Modelle von Fahrzeugen der Jünkerather Maschinenfabrik.